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ROHRZUCKER
 

Zuckerrohr ist noch vor der Zuckerrübe der Hauptrohstoff für die Herstellung von Industriezucker.

Neben seiner Verwendung als Grundnahrungsmittel wird er auch zur Herstellung von Spirituosen verwendet. In Paraguay wird aus dem vergorenen Zuckerrohrsaft ein Schnaps gebrannt, der nach Zusatz von Zuckerkulör bzw. Karamell als "caña" bezeichnet wird. In Kolumbien wird aus Zuckerrohr und Anis Aguardiente gebrannt. In Brasilien basiert der Cocktail Caipirinha auf dem Zuckerrohrschnaps Cachaça. Aus der Zuckerrohr-Melasse, dem immer noch zuckerhaltigen Restsirup, der bei der Zuckerpoduktion übrigbleibt, wird Rum hergestellt.

Der aus frischem Zuckerrohr gepresste, meist gekühlte Saft ist ein weit verbreitetes und beliebtes Getränk. In Kuba oder Spanien wird Zuckerrohrsaft als guarapo, in Brasilien als caldo de cana oder garapa bezeichnet. In den arabischen Ländern heißt dieses Getränk qaṣab, dialektal (z. B. in Ägypten und der Levante) aṣab.

Zuckerrohr war berühmt für seine zahnpflegenden Eigenschaften. In alten Reiseberichten aus dem 19. Jahrhundert wurde immer wieder beschrieben, was für ausgezeichnete Zähne die Plantagenarbeiter oder Eingeborenen hätten, was auf das Kauen des Zuckerrohrs zurückgeführt wurde. Es erscheint paradox, dass eine zuckerhaltige Pflanze zahnpflegende Effekte hat – dies ist wohl auf die "Bürstenfunktion" der rauen Pflanzenteile zurückzuführen. Zudem ist das frische Rohr nicht sehr lange haltbar. Daher geriet dieser Aspekt der Pflanze wieder in Vergessenheit. In ländlichen Gegenden wird allerdings weiterhin während der Zuckerrohrernte Zuckerrohr gekaut.

Die Geschichte des Zuckerrohrs begann um das 5. Jahrhundert vor Christus im ostasiatischen Raum, wo die Pflanze als ursprünglich heimisch gilt. Durch Handel gelangte diese Pflanze um das 1. Jahrhundert nach Christus allmählich in den Nahen Osten. Man entdeckte, dass Zuckersaft kristalliert viel länger haltbar und leichter zu transportieren ist. Neben der schwierigen Verarbeitung, war Zucker um diese Zeit sehr rar und kostete den Käufer (Mittelstandsbürger) für ein Kilo zwei volle Monatslöhne. Erst sehr viel später sollte die dazumals einzige zuckerliefernde Pflanze ihre Reise nach Brasilien und in die um 1500 neugewonnenen Kolonien der Europäer beginnen und dort Fuß fassen.

Bis zur Züchtung der Zuckerrübe aus der Runkelrübe war das Zuckerrohr die einzige Quelle, um Zucker zu gewinnen. Als ursprüngliche Herkunftsgebiete werden Insel-Indien, aber auch Neuguinea (und China) angegeben, die genaue genetische Herkunft ist aber noch unklar. Im Mittelmeergebiet war das Zuckerrohr schon während der Römerzeit bekannt, es erfuhr eine weitere Verbreitung durch die Mauren, Araber und reiste mit der entstehenden Plantagenwirtschaft der Spanier nach Südamerika. Die Portugiesen brachten es in die Bucht von Benin, auf die Kanaren, in die Karibik und nach Mittelamerika. Der Zuckerrohranbau in der so genannten Neuen Welt hat entscheidend zur Verschleppung von Schwarzafrikanern in die Sklaverei (10 - 15 Mio. Menschen) und zur Ausrottung ganzer Volksgruppen in Mittelamerika geführt.

Heute wird Zuckerrohr weltweit angebaut und stellt etwa 55% der Zuckerproduktion. Hauptanbauländer sind Indien, Australien, Thailand, Südafrika, die karibischen Inseln wie Kuba, Jamaika,die Philippinen und die Dominikanische Republik und natürlich Brasilien. Die Arbeitsbedingungen auf den Zuckerrohrfeldern sind teilweise katastrophal. Häufig werden Kinder und Frauen als Arbeitskräfte eingesetzt; schlechte Bezahlung ist in den Regionen des Zuckerrohranbaus ohnehin an der Tagesordnung. Brasilianische Plantagenarbeiter bekommen etwa 1,4 Reais (ca 60 Euro Cents - Stand Juni 2007) pro gehackter Tonne Zuckerrohr. Die Tagesleistung liegt bei guten Arbeitern bei circa 15 - 20 t. Entsprechend billig kann der Rohrzucker angeboten werden, in der EU ist er allerdings wegen sehr hohen Zöllen trotzdem nicht konkurrenzfähig gegen den subventionierten Rübenzucker.

Neben dem weißen Raffinade-Zucker gibt es Roh-Rohrzucker (Muskovade) und Vollrohrzucker, der auch als getrockneter Zuckerrohrsaft bezeichnet wird. Roh-Rohrzucker ist teilweise raffiniert und enthält 0,3 bis 1 % Melasse. Vollrohrzucker ist unraffiniert und enthält alle im Zuckerrohr enthaltenen Mineralien, insbesondere Eisen, Magnesium und Calcium, sowie B-Vitamine. Charakteristisch für diesen Zucker ist der karamellartige Eigengeschmack.

Eine dunklere Version des Rohrohrzuckers mit großen Kristallen und ca. 2 bis 3 % Melassegehalt nennt man Golden Brown oder Demerara.

Der Begriff „Rohrzucker" wird oft auch fälschlicherweise als Bezeichnung für braunen Zucker verwendet. Dabei gibt es braunen Zucker auch aus Rüben. Dieser ist jedoch ein raffinierter Zucker, der aus braunem Kandissirup hergestellt wird. Daher ist auch die Bezeichnung "Kandisfarin" gebräuchlich. Im Französischen ist der generische Begriff für jeden unraffinierten (braunen) Zucker „Cassonade".

Ebenso existiert weißer Zucker aus beiden Grundstoffen. Er wird mit chemischen Verfahren gebleicht. Dabei geht ein Teil des Geschmacks verloren. Selbst gebleichter Rohrzucker schmeckt etwas anders als solcher aus Rüben, da in beiden Fällen keine chemisch völlig reine Substanz vorliegt, sondern noch kleine Mengen anderer Inhaltsstoffe vorhanden sind.

Rohrzucker ist in der EU etwas teurer als Rübenzucker. Lediglich in Ländern wie Frankreich mit Kolonialvergangenheit ist der Preisunterschied gering. Trotzdem stammt besonders im Norden Frankreichs der überwiegende Teil des Zuckerangebots aus Rüben, deren Anbau einen nicht unerheblichen Anteil der dortigen Landwirtschaft ausmacht.

Zuckerrüben haben einen entscheidenden Vorteil: sie sind ziemlich robust und klimaresistent. Im Gegensatz zu Zuckerrohr haben sie auch das feuchtkalte Nordeuropa erobern können. Sie sind damit vermutlich sogar noch besser für das Klima geeignet als Honigbienen, dereinst der „Hauptzuckerlieferant" für weite Teile der Welt.

In der arabischen Welt gilt Honig noch heute oft als „Arme-Leute-Süßstoff", was seinen geschmacklichen Qualitäten natürlich keinen Abbruch tut. Die sind dem Zucker sogar oft überlegen. Auch ist er einfacher einzusetzen als Kristallzucker, der meist erst eher umständlich zu Sirup verarbeitet werden muss.

Eine geläufige Alternative ist allerdings Rübensirup (auch Rübenkraut genannt), ein „Abfallprodukt" aus Melasse. Dieser Sirup ist selbst schon von honigähnlicher Konsistenz und verfestigt sich bei kühler Lagerung und/oder entsprechender Dauer ebenso wie der Honig.


Karamell | Invertzucker